Lissabon: Zwischen Trubel und Gelassenheit
Die Hauptstadt Portugals ist inzwischen kein Geheimtipp mehr für Reisende. Allerdings verliert Lissabon auch für Wiederkehrer ihren Reiz nicht. Die Stadt am Tejo atmet Geschichte, steckt voller Geschichten und überrascht sowohl Einheimische als auch Touristen gerne mal mit seiner puren Lebendigkeit.
Ein Mann, ein Balkon und eine historische Tat: Als der Republikaner José Relvas am Morgen des 5. Oktober 1910 auf den Balkon des Lissaboner Rathauses trat und die Republik Portugals ausrief, sorgte er für einen bezeichnenden Neubeginn in der Geschichte des südeuropäischen Landes. Was muss das für ein Trubel gewesen sein, als die Menschen sich dort versammelten und Zeugen davon wurden, dass die portugiesische Monarchie abgeschafft wurde. Wie eine Welle wird sich dort in diesem Moment die Hoffnung der Portugiesen auf einen Neuanfang ausgebreitet und alle Anwesenden umhüllt haben.
Zu fast jedem Fenster gehört in Lissabon ein kleiner Balkon
Heute, 108 Jahre später, spürt man immer noch einen Hauch von dieser Euphorie, wenn man auf dem Platz vor dem Lissaboner Rathaus steht. Der helle Bau im neoklassizistischen Stil wurde 1755 erbaut und nach einem Brand im Jahr 1996 aufwendig restauriert. Die Portugiesen wollen seine herrschaftliche Pracht erhalten.
Aber nicht nur an diesem Platz, sondern in ganz Lissabon spielen Balkone eine wichtige Rolle. Die kunstvollen Brüstungen prägen das Stadtbild – vor allem in der urigen Altstadt. Zu fast jedem Fenster in den oberen Stockwerken gehört ein schmaler Balkon aus robustem Eisen. Filigrane Muster reihen sich dabei aneinander und fügen sich mit den bunt gekachelten Häuserfronten zu einem Gesamtkunstwerk zusammen.
Einen Blick nach draußen werfen und den Weg ins Freie suchen
Aufenthaltsorte wie wir sie verstehen, sind diese Lissaboner Balkone allerdings nicht. Stühle oder ein Grill finden dort in der Regel keinen Platz. Stattdessen sind sie eher Austrittmöglichkeiten – mal kurz einen Blick nach draußen werfen. Ein ausgiebiger Spaziergang durch die Straßen und Gassen der Hauptstadt Portugals lässt erkennen, für was die Einheimischen ihre Balkone vor allem nutzen: Dort wachsen und gedeihen Topfpflanzen, an gespannten Leinen trocknet die Wäsche und manchmal sind Dekoelemente, wie Strohpuppen oder bunte Tücher, drapiert.
Wenn die Bewohner Lissabons nach draußen wollen, dann reicht ihnen ihr Balkon in der Regel nicht. Kein Wunder bei der traumhaften Umgebung: Der Tejo mündet nicht weit von hier in den Atlantik, dank des hügeligen Geländes bieten sich immer wieder Plätze für einen tollen Ausblick über die Stadt und mit dem Castelo de São Jorge, dem Mosteiro dos Jerónimos und der Torre de Belém gibt es reichlich Sightseeing-Highlights zu erkunden.
Geheimtipps auf der Spur sein und in ein Happening hineingeraten
Abends stützt man sich am besten in das Getümmel der lebhaften Hauptstadt. So gibt es zahlreiche Cafés, Bars, Restaurants und Clubs, in denen man es sich gut gehen lassen kann. Hin und wieder machen Geheimtipps die Runde, und plötzlich suchen allerhand Feierwütige in unscheinbaren Gassen nach der angesagtesten Rooftop Bar.
Wer Glück hat gerät dabei in ein echtes Happening. Da zücken Jungmusiker ihre Instrumente und grooven auf offener Straße los. Die Umstehenden tanzen spontan mit und bewegen sich nach ein paar Einweisungen wie ein Flashmob im Takt. Und plötzlich spürt man es wieder: den Trubel und die Heiterkeit der Menschen. Anders, aber vielleicht doch ganz ähnlich wie einst, vor 108 Jahren.