Synthese aus Natur und Architektur

Architektur verschafft uns Menschen Lebensraum. Das reicht von zweckmäßig bis prunkvoll. Der Architekt Álvaro Siza Vieira setzt vielfach auf Unterordnung. Seine Bauten sollen das Gleichgewicht der Umgebung nicht stören. Dieser Fakt macht seine Werke aber nicht weniger spannend – ganz im Gegenteil. Davon überzeugen kann man sich beispielsweise im Museum Insel Hombroich.

Wo Architektur entsteht, muss Natur weichen. Das erleben wir tagtäglich, wenn dichte Wälder oder weite Felder verschwinden und an ihrer Stelle Wohnhäuser, Büros, Fabriken oder Einkaufscenter entstehen. Dass es aber auch anders geht, dass Architektur und Natur harmonisch zusammenwirken können, zeigt der portugiesische Architekt Álvaro Siza Vieira.

Für das Museum Insel Hombroich hat er im Jahr 2008 einen Pavillon entworfen, der sich so stark in die Landschaft einbettet, dass er beinahe darin verschwindet. Je nachdem aus welcher Richtung man sich dem u-förmigen und eingeschossigen Bau nähert, nimmt man ihn kaum wahr. So unbeeindruckt treiben Büsche und Bäume um ihn herum weiter aus, und ebenso unbekümmert wächst das Gras in die Höhe.

Einbetten und nicht dominieren.
Somit gleicht die Entdeckung des Pavillons einer geglückten Schatzsuche. Eine inszenierte Wegführung bringt den Besucher bis zum Eingang. Auch im Inneren ist die umgebende Natur präsent: Alle Räume orientieren sich um einen Innenhof, der wiederum einen gefassten Blick in die Landschaft bietet. Alles fügt sich zusammen, als wäre es schon immer so gewesen.

Die Außenwände des ganz bewusst flach gehaltenen Baus – schließlich soll er sich in die Umgebung einbetten und sie nicht dominieren – sind mit unregelmäßigen Klinker aus Abbruchhäusern verkleidet. Das hat er mit den anderen Gebäuden der Museumsinsel gemein. Die im Pavillon beheimateten Galerieräume strahlen dank Boden und Decke in Eichenholz Wärme aus. Dort werden architektonische Exponate ausgestellt.

Außerdem sind zwei Gästewohnungen an einen langen Ausleger des Baus angefügt. Jede dieser Wohnungen verfügt über einen ebenerdigen Balkon, der die Verbindung zwischen Natur und Architektur noch einmal besonders gut verdeutlicht. Der unverfälschte Blick ins nahe, farbenfrohe Grün ist von hier aus wahrlich reizvoll und zeigt, wie stark Vieiras Bau damit verknüpft ist.

Respekt der Natur gegenüber.
Der Pavillon in dem Neusser Kulturraum, zu dem neben dem Museum Insel Hombroich auch die Raketenstation und das Kirkeby-Feld gehören, ist nur ein Beispiel für Vieiras Vision von der Synthese aus Natur und Architektur. Denn in seine Planungen von neuen Bauten fließen stets die Gegebenheiten der umgebenden Landschaft ein. Respekt der Natur gegenüber – das prägte das Arbeiten des inzwischen 85-Jährigen.

Die Konsequenz daraus ist, dass sich seine Architektur in die Umgebung integriert und sie nicht stört. Ein nachvollziehbarer Gedanke, immerhin war die Natur zuerst da. Was für Gebäude unter diesem Grundgedanken entstehen, kann man auch in Vieiras Heimat Portugal erleben: Der Boa Nova Teepavillon in Matosinhos war eines seiner ersten Projekte und erhebt sich von den Felsen entlang des Atlantischen Ozeans. Der Pavillon erscheint dabei wie eine natürliche Erweiterung der Landschaft.

Harte Kritiker – Bauwerke von Weltrang.
Nicht weit entfernt befindet sich das Strandbad Leça da Palmeira, das Vieira nur kurze Zeit später konzipierte. Die Poolanlage ist wie eine Skulptur in die Felsenlandschaft eingebettet. Der Beton – eine Mischung aus körnigem Zement und zerstoßenem Fels der Küste – unterstreicht die Homogenität von Landschaft und Bauwerk ganz bewusst.

Der Portugiese erhielt immer wieder Gegenwind von den Kritikern, wenn es um seine Arbeiten ging. Vielleicht, weil er nichts für Opulenz übrighatte, sondern die Klarheit in Form und Funktion suchte, vielleicht auch weil er der jeweiligen Umgebung einen so hohen Stellenwert einräumte. Doch die Gradlinigkeit zahlte sich aus: Seine Bauwerke von Weltrang beeinflussten bis heute zahlreiche jüngere Architekten. Vieira gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne.

Hier geht es zur Website der Insel Hombroich.
Stiftung | Insel | Kulturraum

Werde ein Teil unserer »balcony-community« und folge uns auf Facebook und Instagram:
»the balcony« auf Instagram.
»the balcony« auf Facebook.